Mittwoch, 20. September 2017

Red Tarn

by on Mittwoch, 20. September 2017 16:42

https://wo.steckt.losty.de/Lake_District_2017#319 - Obwohl wir die letzten Meter quasi von Gipfel zu Gipfel gewandert sind war davon eigentlich kaum etwas zu merken. Von 830 auf 930m verlief der Weg schnurgerade eher über eine Art Hochebene. Aber weiterhin fantastische Aussicht über den ganzen Lake District. Gegen 17:30 erreichen wir den Helvellyn (950m) oberhalb des Red Tarn - unser Tagesziel. Hier tummeln sich wieder einige Tageswanderer. Von oben können wir sehen, dass am anderen des Red Tarn wohl bereits jemand sein Zelt aufgestellt hat. Hervorragend! Die Frage nach einem geeigneten Zeltplatz hat sich damit erledigt - wir werden dem einsamen Kollegen dort unten einfach Gesellschaft leisten. Unter den Tageswanderern auf dem Helvellyn ist auch eine wohl geführte Gruppe mit Helmen die sich gerade etwas selbst gefeiert hat da sie wohl gerade eine moderate Kletterpassage vom Red Tarn aus hinter sich hat. Etwa als die Gruppe weiter zieht in Richtung des Abstiegs zurück zum Red Tarn, den wir für uns auch geplant hatten, taucht ein Mann in roter Jacke und etwas grösserem Rucksack auf, der zunächst dadurch auffällt, dass er nicht (wie alle anderen) schon aus der Entfernung grüsst. Carsten beobachtet die Gruppe und stellt fest, dass sie für ein zwar steiles, aber eigentlich sehr kurzes Stück Weg erstaunlich lange braucht. Auch dem Mann in der roten Jacke fällt das offensichtlich auf. Er wirft seinen Rucksack auf den Boden und marschiert im Stechschritt zu der Stelle an der der Abstieg anfängt. Er schaut prüfend den Weg hinunter und kommt im Stechschritt zurück. Wir machen uns langsam etwas Sorgen. Der erste Teil des Abstiegs scheint in der Tat etwas ausgesetzter zu sein - ob der Weg wohl machbar ist mit unseren grossen Rucksäcken? Die moderate Kletter-Etappe auf der anderen Seite wollten wir eher nicht nehmen. Irgendwie ahne ich schon, dass das vielleicht nicht die beste Idee ist, aber als der Mann zurückkommt frage ich ihn einfach ob er nach diesem Weg gesehen hätte. "Have I been looking for the way?!? Do I look like a bloody tourist?!?" entgegnet er giftig. "Is it the first time you are here?!? Are you tourists?!?" geht seine Schimpftriarde weiter. Darauf wusste ich erstmal keine Antwort, zucke mit den Schultern und drehe mich um zu gehen.
Wir söllten uns doch nen Guide für x-tausend Pfund pro Tag nehmen, wenn wir den Weg nicht wüssten, ruft er hinterher. Ich versuche kurz zu erklären, dass ich mich nicht verlaufen hätte sondern mich nur nach der Wegbeschaffenheit erkundigen wollte, wegen unserer grossen Rucksäcke. "...of course its possible! With confidence everything is possible!" antwortet er ohne mich ausreden zu lassen. Mit dem Blick auf unsere Rucksäcke scheint ihm aber aufzufallen, dass wir irgendwie gar nicht so nach "bloody tourists" aussehen. Etwas versöhnlicher will er wissen wo wir denn her kämen. "Switzerland" ... aha, was wir denn dann im Lake District wöllten, wo wir doch viel krassere Berge zu Hause hätten. Eine Diskurs über Sinn und Unsinn des World Heritage Status und dass sie wegen dem Brexit jetzt händeringend noch mehr bloody tourists ins Land locken wollen. Nachdem irgendwann raus kommt, dass das nicht unsere erste Tour ist, sondern wir schon durch Norwegen, Island und Patagonien gewandert sind, ist das Eis gebrochen - er entschuldigt sich mehrfach, dass er so "rude" war. Der Weg sei für uns sicher kein Problem ist - diese Gruppe seien "just idiots" erklärt er, während er Kocher und Dackelgarage aus seinem Rucksack holt. Nun wird es fast schwierig wieder los zu kommen, aber die Sonne geht ja bald unter und wir müssten noch zum Red Tarn runter weil wir nicht mehr genug Wasser haben zum Kochen. Also ziehen wir los. Ein paar Meter hinter dem nächsten Eck stellen wir überrascht fest, dass doch noch jemand anderes hier auf dem Gipfel war. Ein Päärchen. Sie in rosa Turnschühchen und Jogginghose - ungefähr der inbegriff dessen, was der Kollege vorhin als "bloody tourists" beschimpft hatte. "Oh oh" denke ich bei mir, aber wir eilen zum Einstieg für den Abstieg, denn es droht langsam dunkel zu werden. Der erste Teils des Wegs erweist sich als durchaus trickreich. Gut - im Aufstieg und ohne Rucksack hätte er sicher Spass gemacht. Als wir gerade mitten im Abstieg sind hören wir lautes Geschrei. "Go away!!! I sleep here!!!" und noch einiges unverständliches. Wir amüsieren uns kurz, aber dann erfordert der Weg wieder mehr Konzentration. Als wir wieder Zeit haben unsere Blicke über dem Red Tarn schweifen zu lassen, stehen dort statt dem einen Zelt jetzt bereits 4 Zelte stehen. Bis wir ganz unten waren sind es nochmal deutlich mehr geworden. Scheinbar hat sich besagte geführte Gruppe hier niedergelassen. Sobald unser Zelt steht kommt der Kollege vom nächsten Zelt (ich hatte ihm bei unserer Ankunft kurz zu gewunken) herüber um Hallo zu sagen. Tatsächlich: er ist der Guide und "die Gruppe" sind angehende Luftfahrt-Ingenieure bei einem Teambuilding. Er entschuldigt sich schonmal im Voraus für eventuelle Lärmbelästigung, aber nach dem Dinner würden sie sich gleich in die Zelte verkriechen, weil sie am nächsten Morgen um 7:30 bereits ins Tals aufbrechen möchten. "No problem, don't worry..." versichern wir ... etwas überrascht von so viel Freundlichkeit. Bei uns wird es jetzt auch erstmal Abendessen geben. Nudeln mit Käsesosse sollte unsere Rucksäcke um mehr 500g erleichtern...

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